Universal-Religion

Sie sind hier:  >>> Visionen der Zukunft 

 

  

Ein Bild der künftigen Gesellschaftsordnung

 

 

Auszug aus einem Brief von Shogi Effendi,

Hüter des Bahá'i-Glaubens 1922 - 1957, 

entnommen aus "The World Order of Bahá'u'lláh", 1938

 

 

   Die Vereinigung der ganzen Menschheit ist das Kennzeichen der Stufe, der sich die menschliche Gesellschaft heute nähert. Die Einheit der Familie, des Stammes, des Stadtstaates und der Nation ist nacheinander in Angriff genommen und völlig erreicht worden. Welteinheit ist das Ziel, dem eine gequälte Menschheit zustrebt. Der Aufbau von Nationalstaaten ist zu einem Ende gekommen. Die Anarchie, die der nationalstaatlichen Souveränität anhaftet, nähert sich heute einem Höhepunkt. Eine Welt, die zur Reife heranwächst, muss diesen Fetisch aufgeben, die Einheit und Ganzheit der menschlichen Beziehungen erkennen und ein für allemal den Apparat aufrichten, der diesen Leitgrundsatz ihres Daseins am besten zu verkörpern vermag.

 

  "Neues Leben", verkündet Bahá'u'lláh, "regt sich in diesem Zeitalter bei allen Völkern der Erde, und doch hat niemand seine Ursache ent-deckt oder seinen Antrieb wahrgenommen." "O ihr Menschenkinder",

redet Er Seine Zeitgenossen an, "die Grundabsicht, die den Glauben Gottes und Seine Religion beseelt, ist, das Wohl des Menschen-geschlechts zu sichern und seine Einheit zu fördern ... Dies ist der gerade Pfad, die feste, unverrückbare Grundlage. Was immer auf diese Grundlage gebaut wird, dessen Stärke können Wandel und Wechsel der Welt nie beeinträchtigen, noch wird der Kreislauf zahlloser Jahr-hunderte seinen Bau untergraben."

"Die Wohlfahrt der Menschheit", erklärt Er, "ihr Friede und ihre Sicherheit sind unerreichbar, wenn und bevor nicht ihre Einheit fest begründet ist."

"So mächtig ist das Licht der Einheit", so lautet Sein weiteres Zeugnis, "dass es die ganze Erde zu erleuchten vermag. Der eine wahre Gott, der alle Dinge kennt bezeugt die Wahrheit dieser Worte ... Dieses Ziel überragt jedes andere Ziel, und dieses Streben ist der Fürst allen Strebens." -

"Er, der euer Herr ist, der Allerbarmer", so hat Er ferner geschrieben, "hegt in Seinem Herzen den Wunsch, die ganze Menschheit als eine Seele und einen Körper zu sehen. Eilt, euren Anteil an Gottes Huld und Barmherzigkeit zu erlangen an diesem Tage, der alle anderen erschaffenen Tage in den Schatten stellt."

 

  Nicht weniger fesselnd ist die Vision Jesajas, des grössten der jüdischen Propheten, der schon vor zweitausendfünfhundert Jahren die Bestimmung vorausschaute, zu der die Menschheit im Zustand ihrer Reife gelangen muss:

  "Und Er (der Herr)  wird richten unter den Nationen und strafen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen  und ihre Speere zu Sicheln machen. Denn keine Nation wird das Schwert gegen die andere erheben, und sie werden hinfort nicht mehr die Kriegskunst lernen ... Und es wird ein Reis aufgehen aus Isais Stamm und ein Sprössling aus seinen Wurzeln hervor-brechen ... Und er wird die Erde schlagen mit dem Stabe seines Mundes und mit dem Odem seinen Lippen den Frevler töten. Gerechtigkeit wird der Gurt seinen Lenden sein und Glaube der Gurt seine Hüften. Der Wolf wird beim Lamme wohnen, und der Parder wird lagern beim Böcklein. Das Kalb und drei junge Löwen und das Mastvieh sind beisammen ... Und der Säugling wird spielen am Loch der Natter, und ein Entwöhnter wird seine Hand in die Höhle des Basilisken stecken. Nirgends wird man Schaden tun noch verderben auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll sein der Erkenntnis des Herrn, wie die Wasser das Meer bedecken."

 

  Wer könnte bezweifeln, dass solche Vollendung - die Volljährigkeit des Menschengeschlechts - ihrerseits den Beginn einer Weltkultur bezeich-nen muss, wie sie noch kein sterbliches Auge zuvor gesehen, kein menschlicher Geist je erfasst hat? Wer ist da, der sich die erhabene Stufe vorstellen könnte, die eine solche Kultur in dem Masse, wie sie sich ent-faltet, zu erreichen bestimmt ist? Wer kann die Höhen ermessen, zu de-nen sich der menschliche Verstand aufschwingen wird, wenn er erst von seinen Fesseln befreit ist? Wer kann die Reiche schauen, die der Men-schengeist entdecken wird, nachdem er von dem strömenden Licht  Bahá'u'lláhs in der Fülle seiner Herrlichkeit belebt sein wird?

  

  Die Einheit des Menschengeschlechts, wie sie Bahá'u'lláh vorausschaut, umschliesst die Begründung eines Weltgemeinwesens, in welchem alle Nationen, Rassen, Glaubensbekenntnisse und Klassen eng und dauerhaft vereint, die Autonomie seiner nationalstaatlichen Glieder sowie die persönliche Freiheit und Selbstständigkeit der einzelnen Menschen, aus denen es gebildet ist, ausdrücklich und völlig gesichert sind. Dieses Ge-meinwesen muss, soweit wir es uns vorstellen können, aus einer Welt-legislative bestehen, deren Mitglieder als Treuhänder der ganzen Mensch-heit die gesamten Hilfsquellen aller Mitgliedsnationen überwachen. Sie muss die erforderlichen Gesetze geben, um das Leben aller Rassen und Völker zu steuern, ihre Bedürfnisse zu befriedigen und ihre wechselseitigen Beziehungen zu ordnen. Eine Weltexekutive, gestützt auf eine internationale Streitmacht, wird die Beschlüsse jener Weltlegislative ausführen, deren Gesetze anwenden und die organische Einheit des ganzen Gemeinwesens sichern. Ein Weltgerichtshof wird seine bindende, endgültige Entscheidung in sämtlichen Streitfragen, die zwischen den vielen Gliedern dieses allumfassenden Systems auftreten können, fällen und zustellen. Ein Netzwerk weltweiter Kommunikation wird ersonnen werden; es wird den ganzen Erdball umspannen, von allen nationalen Hindernissen und Beschränkungen frei, mit wunderbarer Schnelligkeit und vollkommener Pünktlichkeit ablaufen. Eine Welthauptstadt wird als Nervenzentrum einer Weltzivilisation und als Brennpunkt wirken, in dem die einigenden Lebenskräfte zusammenlaufen und von dem ihre kraftbringenden Einflüsse ausstrahlen werden. Eine Weltsprache wird entweder geschaffen oder unter den bestehenden Sprachen ausgewählt und in den Schulen aller verbündeten Nationen als ein Hilfsmittel neben der jeweiligen Muttersprache gelehrt werden. Eine Weltschrift, eine Weltliteratur, ein einheitliches, allumfassendes Währungs-, Gewichts-, und Masssystem werden den Verkehr und die Verständigung unter den Nationen und Rassen der Menschheit vereinfachen und erleichtern. In dieser Weltgesellschaft werden Wissenschaft und Religion, die beiden gewaltigen Kräfte im menschlichen Leben, in Einklang gebracht sein; sie werden zusammenwirken und sich harmonisch entwickeln. Die Presse wird in einem solchen System, in dem sie der Darlegung der verschiede-nen Ansichten und Ueberzeugungen der Menschheit vollen Spielraum gewährt, nicht mehr durch althergebrachte Interessen, seien sie persön-licher oder allgemeiner Natur, unheilvoll gelenkt werden; vom Einfluss streitender Regierungen und Völker wird sie befreit sein. Die wirtschaft-lichen Hilfsmittel der Welt werden organisiert, ihre Rohstoffquellen er-schlossen und restlos nutzbar gemacht, ihre Märkte aufeinander abge-stimmt und entwickelt, die Verteilung ihrer Erzeugnisse unparteiisch ge-regelt werden.

 

   Nationale Rivalität, Hass und Machenschaften werden aufhören, Feind-seligkeiten und Vorurteile der Rassen werden durch Freundschaft, Ver-ständigung und Zusammenarbeit ersetzt werden. Die Ursachen religiöser Zwistigkeiten werden für immer aus dem Wege geräumt werden; wirt-schaftliche Schranken und Hindernisse werden völlig beseitigt, der mass-lose Klassenunterschied verwischt werden. Mangel auf der einen Seite und unmässige Anhäufung von Eigentumsrechten auf der anderen Seite werden verschwinden. Die ungeheuren Kräfte, die für die wirtschaftliche oder politische Kriegsführung verzettelt und vergeudet werden, fliessen Zwecken zu, welche die Reichweite menschlicher Erfindungen erweitern, die technische Entwicklung fördern, die Produktivität der Menschheit steigern, Krankheiten ausrotten, wissenschaftliche Forschungen ausdeh-nen, den körperlichen Gesundheitszustand heben, den menschlichen Verstand schärfen und verfeinern, die ungenutzten, ungeahnten Hilfs-quellen dieser Erde ausbeuten, das menschliche Dasein verlängern und jedwedes andere Mittel fördern, welche das verständliche, sittliche und geistige Leben des ganzen Menschengeschlechts anzuregen vermag.

 

   Ein Weltbundsystem, das die ganze Erde beherrscht und unanfechtbare Amtsgewalt über ihre unvorstellbar grossen Hilfsquellen hat, das die Ideale sowohl des Ostens wie auch des Westens verkörpert und in Einklang bringt, vom Fluch und Elend des Krieges befreit und auf die Ausnützung aller verfügbaren Kraftquellen der Erdoberfläche bedacht ist, ein System, in dem die Gewalt zur Dienerin der Gerechtigkeit wird, dessen Leben von der allumfassenden Anerkennung eines Gottes und vom Gehorsam gegen eine gemeinsame Offenbarung getragen ist - dies ist das Ziel, dem die Menschheit, durch die vereinenden Lebenskräfte angetrieben, zustrebt. *

 

   "Nunmehr hat in der Welt des Seins", so erklärt 'Abdu'l-Bahá, "die Hand göttlicher Macht die Grundlagen dieser allerhöchsten Gnadengabe fest begründet. Was auch im Innersten dieses heiligen Zyklus verborgen ruht, es wird allmählich erscheinen und offenbar gemacht werden; denn jetzt ist erst der Beginn seines Wachstums und der Morgen der Offenbarung seiner Zeichen. Noch vor dem Ende die-ses Jahrhunderts und dieses Zeitalters wird klar und augenscheinlich gemacht sein, wie wundersam jene Frühlingszeit war und wie himm-lisch jene Gabe." 

 

>  Religion und Wissenschaft