Universal-Religion

 

'Abdu'l-Bahá

 

 

Beantwortete Fragen

 

 

Diese Antworten entstanden in den Jahren 1904 bis 1906 im Verbannungsort Akka (Israel), wo 'Abdu'l-Bahá lebte und auf diverse Fragen von Pilgern einging.

 

 

 

 Schöpfung und Evolution 

 Der Ursprung des Menschen

 

  "Wisse, dass es eine der am schwierigsten zu verstehenden geistigen Wahrheiten ist, dass die Welt des Daseins, das heisst dieses unendliche Weltall, keinen Anfang hat.

 

  Wir haben schon früher erklärt, dass die Namen und Attribute Gottes unbedingt das Dasein von Geschöpfen erfordern. Obwohl diese Frage ausführlich erläutert wurde, wollen wir noch einmal kurz darüber spre-chen. Wisse, dass man sich einen Erzieher ohne Zöglinge nicht vorstel-len kann, dass es einen Monarchen ohne Untertanen nicht gibt, ein Lehrer ohne Schüler nicht ernannt würde, ein Schöpfer ohne ein Geschöpf unmöglich wäre und ein Versorger ohne Versorgte nicht ausgedacht werden könnte; denn alle göttlichen Namen und Eigenschaf-ten setzen das Dasein von Geschöpfen voraus. Sich eine Zeit vorzustel-len, in der es überhaupt keine Geschöpfe gegeben habe, hiesse die Gött-lichkeit Gottes leugnen. Ueberdies kann völliges Nichtsein nicht zum Dasein werden. Wenn die Geschöpfe überhaupt nicht existiert hätten, wäre Dasein nicht ins Leben getreten. Weil nun das innerste Wesen der Einheit, das göttliche Sein, von aller Ewigkeit her besteht und immer-während ist, das heisst weder Anfang noch Ende hat, darum hat sicherlich diese Welt des Daseins, dieses unendliche Weltall, weder An-fang noch Ende. Es mag wohl sein, dass ein Teil des Weltalls, zum Beispiel einer der Himmelskörper, ins Dasein tritt oder verfällt, aber die anderen, unendlich vielen Himmelskörper bestehen weiter; das Weltall würde darum nicht zerrüttet oder verdorben werden, denn Dasein ist ewig und unvergänglich. Da das einzelne Gestirn einen Anfang hat, muss es auch ein Ende haben, denn jede Zusammensetzung, im Verband oder im einzelnen, muss notwendigerweise aufgelöst werden; der einzige Unterschied ist, dass einige schnell und andere langsa-mer aufgelöst werden, aber es ist unmöglich, dass etwas zusammen-gesetztes sich schliesslich nicht auflöst.

 

  Wir sollten also erkennen, was die einzelne wichtige Daseinsform zu Beginn gewesen ist, denn es gibt keinen Zweifel, dass im Anfang der Ursprung   e i n e r   war: Der Ursprung aller Zahlen ist die Eins und nicht die Zwei. Dann ist es offenkundig, dass im Anfang die Materie  e i n e   war und dieser Urstoff sich in jedem Element von verschiedenen Seiten zeigte; so wurden verschiedene Formen hervorge-bracht, wobei die unterschiedlichen Aspekte feste Gestalt annahmen und jedes Element gesondert entwickelt wurde. Diese feste Gestalt war aber nicht endgültig, sondern erreichte Verwirklichung und vollkommenes Daein erst nach einer sehr langen Zeit. Dann sind diese Elemente in unendlich viele Formen zusammengesetzt, geordnet und verbunden worden, oder viel-mehr entwickelten sich aus ihrer Zusammensetzung und Verbindung zahllose Geschöpfe.

 

  Diese Zusammensetzung und Anordnung wurde durch die Weisheit Gottes und Seine ewige Allmacht aus einer Gestaltung der Natur hervorgebracht die in Uebereinstimmung mit dieser Weisheit und einem allumfas-senden Gesetz zusammengesetzt und verbunden worden war. Daher ist es klar, dass es die Schöpfung Gottes ist und nicht eine zufällige Zusammensetzung und Anordnung. Darum kann von jeder natürlich Zusammensetzung ein Geschöpf ins Dasein treten, aus einer zufälligen Vermischung aber nicht. Wenn zum Beispiel ein Mensch mit seinem eigenen Verstand und seiner Intelligenz einige Elemente zusam-menstellt und sie vermengt, so wird kein lebendes Geschöpf ins Dasein gerufen werden, weil das System unnaürlich ist. Dies ist auch die Ant-wort auf die mit inbegriffene Frage, warum es uns nicht möglich ist, Elemente zu sammeln, sie miteinander zu vermischen und so lebendes Wesen zu erschaffen, nachdem doch die Geschöpfe durch Zusammen-setzung  und Verbindung von Elementen entstehen. Dies ist eine falsche Annahme, denn der Ursprung dieser Zusammensetzung ist von Gott; es ist Gott, Der die Verbindung macht, und da sie nach dem natürlichen System hergestellt ist, entspringt jeder Zusammensetzung ein Geschöpf und wird ein Dasein verwirklicht. Eine durch den Menschen hergestellte Zu-sammensetzung bringt nichts hervor, da der Mensch nicht erschaffen kann.

 

  Kurz, Wir sagten, dass aus der Zusammensetzung und Verbindung von Elementen, aus ihrer Auflösung, ihrer Ausgewogenheit und der Ent-wicklung der Umwelt Seinsformen, unendlich viele Wirklichkeiten und zahllose Geschöpfe erzeugt wurden. Diese Erdkugel aber, das ist klar, hat ihre jetzige Gestalt nicht auf einmal angenommen, sondern dieses umfassende Dasein hat allmählich verschiedene Phasen durchwandert, bis es die heutige Vollendung erreicht hat. Der Makrokosmos entspricht dem Mikrokosmos und kann mit ihm verglichen werden, denn beide unterstehen einer natürlichen Ordnung, einem allumfassenden Gesetz und einem göttlichen Plan. So findet man, dass die kleinsten Atome in ihrer allgemeinen Ordnung den grössten Weltenkörpern ähneln. Es ist klar, dass sie durch  e i n e  Werkstatt der Macht  nach  e i n e r  natürlichen Ordnung und e i n e m  allumfassenden Gesetz ins Leben gerufen werden; deshalb können sie miteinander verglichen werden. So wächst und entwickelt sich allmählich der menschliche Embryo im Mutterschoss und zeigt sich in verschiedenen Phasen und Formen, bis er auf der Stufe vollkommener Schönheit die reife erreicht und mit höchster Anmut in vollendeter Gestalt erscheint. Ebenso war der Same dieser Blume hier im Anfang ein unbedeutendes, winziges Ding; er wuchs und entwickelte sich im Schoss der Erde und durchwanderte verschiedene Phasen, bis er als diese Blume in vollkommener Frische und Lieblichkeit in Erscheinung trat. Genauso ist es offenkundig, dass diese Erdkugel, nachdem sie einmal ins Dasein getreten war, im Schoss des Weltalls wuchs und sich ent-wickelte und in verschiedenen Phasen und Formen erschien, bis sie allmählich ihre heutige Vollkommenheit erlangte, mit zahllosen Geschöp-fen geschmückt wurde und als fertiges Gefüge in Erscheinung trat.

 

  So ist es klar, dass der Urstoff, der in keimhaftem Zu-stand ist, und die vermischten und zusammengesetzten Elemente, die seine frühesten Formen darstellen, in langen Zeiten und Zyklen allmählich wuchsen und sich entwickelten und von einer Form und Gestalt zur anderen schritten, bis sie durch die höchste Weisheit Gottes in dieser Verfassung, diesem Gefüge, dieser Ordnung und dieser Vollendung erschie-nen.

 

  Kommen wir zu unserem Thema zurück, dass nämlich der Mensch zu Beginn seines Daseins und im Schoss der Erde - ähnlich dem Embryo im Mutterschoss - allmählich wuchs und sich entwickelte, von einer Form zur anderen Schritt, bis er in höchster Schönheit und Vollendung erschien. Es ist gewiss, dass er im Anfang nicht diese Anmut, Lieblichkeit und Feinheit hatte, sondern nur schrittweise diese Gestalt, diese Form, diese Schön-heit und Anmut erlangte. Es ist kein Zweifel, dass der menschliche Embryo nicht sogleich in dieser Form erschien und dass er nicht sofort zur Offenbarung der Worte: "Gelobt sei Gott, der herrlichste Schöpfer!" wurde. Allmählich durchschritt er verschiedene Stufen und andere Formen, bis er diese Gestalt und Schönheit, diese Vollendung, Anmut und Lieblichkeit erlangte. So ist es klar und er-wiesen, dass die Entwicklung und Entfaltung des Menschen auf dieser Erde - bis er seine heutige Vollkommenheit erreichte - dem Wachstum und der Entwicklung des Embryos im Mutterleib ähnelte: Nach und nach schritt er von Stufe zu Stufe, von Form zu Form, von einer Gestalt zur anderen, denn dies entspricht den Bedingungen der allumfassenden Ordnung und des göttlichen Gesetzes.

 

   Das heisst, der Embryo durchschreitet verschiedene Phasen und durchläuft zahlreiche Seinsweisen, bis er die Gestalt erreicht, in der er die Worte: "Gelobt sei Gott, der herrlichste Schöpfer!" kundtut, und bis die Zeichen von Vernunft und Reife erscheinen. Ebenso währt das mensch-liche Dasein auf dieser Erde, von Anbeginn bis es die heutige Verfassung, Gestalt und Stufe erreicht, notwendigerweise eine lange Zeit und schrei-tet durch viele Seinsweisen, bis es diese Erscheinungsform erreicht. Aber von allem Anfang seines Daseins an ist der Mensch eine besondere Art. In gleicherweise hat der menschliche Embryo im Mutterleib zuerst eine sonderbare Form; dann schreitet dieser Körper von Form zu Form, von Stufe zu Stufe, von einer Gestalt zur anderen, bis er in höchster Schönheit und Vollkommenheit erscheint. Aber auch im Mutterleib und in jener sonderbaren Form, die ganz verschieden von seiner späteren Gestalt und Erscheinung ist, ist er der Embryo der höheren Art und kein Tierembryo; seine Art und sein innerstes Wesen sind keiner Aenderung unterworfen. Wenn wir auch zugeben, dass Spuren verschwundener Organe wirklich vorhanden sind, so ist dies noch keine Beweis gegen die Beständigkeit und Ursprünglichkeit der Arten. Es beweist höchstens, dass Form, Gestalt und Organe des Menschen Fortschritte gemacht haben. Der Mensch war immer eine besondere Art, kein Tier, sondern ein Mensch. Wenn der menschliche Embryo im Mutterleib von einer Form zur anderen schrei-tet, so dass die zweite Form in keiner Weise mehr der ersten ähnelt, ist dies den ein Beweis, dass sich die Art geändert hat, dass er zuerst ein Tier war und dass sich seine Organe entwickelten und Fortschritte machten, bis er ein Mensch wurde? Gewiss nicht! Wie kindlich und unbegründet ist doch dieser Gedankengang! Denn der Beweis der Ursprünglichkeit der menschlichen Art und der Beständigkeit der Natur des Menschen ist klar und offenkundig.   >27             

 

 

 

 

 

 

>  Die Wirklichkeit des Menschen