Universal-Religion

  

 

Bahá'u'lláh und das neue Zeitalter

 

 

 

Dieser Auszug über die Bahá'i-Verwaltungsordnung wird nach dem Artikel  The Present - Day  Administration of the Bahá'i Faith von Horace Holley wiedergegeben, erschienen 1933 in  The Bahá'i World, Bd. V, S. 191 ff.   

 

 

Das Verwaltungsmodell 

 

unter den Bahá'i weltweit im Aufbau

   

 

  Es war eine allgemeines Merkmal von Religionen, dass ihre Orga-nisation eine Unterbrechung des wahren geistigen Einflusses zur Folge hatte und zu verhindern half, dass der ursprüngliche Impuls in die Welt weitergegeben wurde. Die Organisation wurde stets eher zum Ersatz für die Religion als zum Mittel und Weg, der Religion Wirksamkeit zu verleihen. Die Trennung der Völker in unterschiedliche Ueberlieferungen, ohne Ausgleich durch friedlichen und schöpferischen Umgang, hat zwangsläufig dorthin geführt. Bis zur Gegenwart hat in der Tat kein Gründer einer geoffenbarten Religion ausdrücklich die Prinzipien dargelegt, die den Verwaltungsmechanismus des Glaubens den Er begründete, leiten sollen.

  Im Bahá'i-Glauben wurden die Grundsätze der Weltadministration von Bahá'u'lláh zum Ausdruck gebracht, und diese Grundsätze wurden in den Schriften von 'Abdu'l-Bahá besonders in Seinem Willen und Testament weiter entwickelt.

  Das Ziel dieser Organisation ist, eine wahre und dauernde Einheit unter den Völkern verschiedener Rassen, Klassen, Interessen, Eigenart und er-erbten Glaubens zu ermöglichen. Ein eingehendes und einfühlendes Studium dieser Seite des Bahá'i-Glaubens zeigt, dass die Ziele und das Verfahren der Bahá'i-Verwaltung so vollkommen dem ursprünglichen Geiste der Bahá'i-Offenbarung angepasst sind, dass sie zu ihm in dem-selben Verhältnis stehen wie der Körper zur Seele. In ihrer Eigenart stel-len die Grundsätze der Bahá'i-Verwaltung die Wissenschaft der Zusam-menarbeit dar; in ihrer Anwendung sehen sie einen neuen und höheren Typ von Sittlichkeit vor, weltumfassend in seinen Zielen...

 

  Eine Bahá'i-Gemeinde unterscheidet sich von anderen freiwilligen Ver-einigungen darin, dass ihre Grundlage so tief gegründet und so weit ge-schaut ist, dass sie jede aufrichtige Seele einschliessen kann. Während andere Gruppen exklusiv sind, zum mindesten in der Wirkung, der Handhabung oder im Ideal, schliesst die Bahá'i-Religion alles ein und schlägt die Tore der Kameradschaft vor keiner aufrichtigen Seele zu. In jeder Gemeinschaft ist heimlich oder offen irgendeine Grundlage für eine Auslese da. In der Religion ist diese Grundlage ein Glaubensbekenntnis, das durch die historische Art seines Ursprungs beschränkt ist. Im Politischen ist es eine Partei oder ein Programm. Im Wirtschaftlichen ist dies eine beiderseitige Notlage oder beiderseitige Macht. In den Künsten und Wissenschaften besteht diese Grundlage in besonderer Erziehung oder Tätigkeit oder in besonderen Interessen. Bei alledem ist die betreffende Bewegung um so stärker, je exklusiver die Grundlage der Auslese ist - ein Zustand, der demjenigen in der Bahá'i-Religion diametral entgegengesetzt ist. Daher entwickelt sich dieser Glaube bei all seinem Wachstums- und Fortschrittsgeist doch langsam, was die Zahl seiner tätigen Anhänger betrifft. Denn die Menschen sind an Exklusivität und Unterteilung in allen Angelegenheiten gewöhnt. Und wichtige Bestimmungen sind immer die Garanten und die Rechtfertigung von Unter-teilung gewesen. In die Bahá'i-Religion einzutreten aber heisst, diese Bestimmungen hinter sich zu lassen - ein Erlebnis, das zunächst den Gläubigen beständig neuen Versuchungen und Leiden aussetzt, da sich das menschliche Ich gegen das höchste Gesetz der allumfassenden Liebe auflehnt. Der Wissenschaftler muss sich zum Einfachen und Ungelehrten gesellen, der reiche zum Armen, der Weisse zum Farbigen, der Mystiker zum Buchstabenmenschen, der Christ zum Juden, der Muhammadaner zum Parsen, und dies unter Bedingungen, die den Vorzug seit langem begründeter Anmassungen und Vorrechte beseitigen.

 

  Aber für dieses schwierige Erlebnis gibt es herrlichen Ausgleich. Lasst uns daran denken, dass die Kunst unfruchtbar wird, wenn sie sich von der menschlichen Allgemeinheit abwendet, dass die Philosophie ebenso ihre Schaukraft verliert, wenn sie sich in der Einsamkeit entwickelt, und dass Politik und Religion nie Erfolg haben abseits von den allgemeinen Nöten der Menschheit. Die menschliche Wesensart ist noch nicht bekannt,  denn wir haben alle in einem Zustand gedanklicher, sittlicher, gefühlsmässiger oder szialer Abwehr gelebt, und die Psychologie der Abwehr ist die der Hemmung. Die Liebe Gottes aber beseitigt Furcht; die Beseitigung der Furcht richtet die verborgenen Kräfte auf, und Anschluss an andere in geistiger Liebe bringt diese Kräfte zu lebendigem, bejahendem Ausdruck. Eine Bahá'i-Gemeinde ist ein Zusammensein, wo dieser Vorgang Platz greifen kann, langsam zu Beginn, wenn dieser neue Antriebe Kräfte sammelt, rascher sodann, wenn die Mitglieder sich dieser Kräfte bewusst werden, welche die Blüte der Einheit unter den Menschen entfalten.

 

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**) Jedes Individuum trägt nach seinen von Gott gegebenen Anlagen und Fähigkeiten zum Aufbau des Ganzen bei, wobei jede Dienstleistung in diesem Geiste einen gleichwertigen Beitrag bedeutet. 

 

Die konkrete Form des neuen Weltordnungssystem von Bahá'u'lláh, das auf diesem einheitlichen Geist und auf der Liebe Gottes fundiert, besteht in seinem hirarchischen Aufbau nicht auf perönlichen Autoritäten.

Dieses System ist in einer dreigliedrig gestaffelten Struktur von "Geistigen Räten" (Häuser der Gerechtigkeit) aufgebaut, wobei die Versammlung der Gemeinde in jedem Bahá'i-Monat einmal in Form eines *19-Tage-Festes ebenfalls ein wichtiges und bedeutendes Element im Aufbau dieser göttlichen Ordnung bedeutet.

 

Bahá'u'lláh hat die Führungsautorität und Kompetenz in die Hände dieser demokratisch gewählten Körperschaften gelegt (*ausge-nommen das 19-Tage-Fest).

Das Entstehen solcher Körperschaften wird jährlich durch freie Wahlen ohne Kanditaturen und persönlichen Nominationen im Geiste des Gebets durch freien Entscheid jedes einzelnen Wählers gewählt.

Die Mitgliederzahl dieser Körperschaften (z. Z. genannt "Geistige Räte") auf lokaler Ebene bestehen aus neun Personen, die jedes Jahr am 1. Ridvan-Tag (21. April christl. Zeit) durch das Mayorzsystem von der Gemeinde gewählt werden.

 

Die übergeordneten geistigen Räte von neun Mitgliedern werden durch Delegierte aus allen Gläubigen des jeweiligen Landes jährlich in der gleichen Zeit durch das gleiche Wahlsystem gewählt. 

 

Die höchste Körperschaft der Bahá'i-Religion, das "Universale Haus der Gerechtigkeit" - bestehend ebenfalls aus neuen Personen -  wird alle fünf Jahre durch indirekte Wahl von den Mitgliedern aller nationalen Räte aus allen Bahá'i dieser Welt erkoren. Dieses Gremium wurde von Bahá'u'lláh mit der direkten Führung von Gott ausgestattet.

 

Diese in den Heiligen Schriften Bahá'u'lláhs, insbesondere im "Heiligsten Buch" im "Kitáb-i-Aqdas" verordneten Bestimmungen, ist Grundlage, die jeder Bahá'i-Gläubige als Glaubensinhalt eigens erforscht und in seinem Leben akzeptiert. Sie bilden das Glaubensfundament der Bahá'i.  

 ** sinngemässe Interpretation von Adrian Chiaruzzi

 

 

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